Einfach informieren, ist nicht einfach – die Simplifizierung

Die Einfachheit ist ein Problem. Denn es ist nicht einfach, einfach zu kommunizieren und dabei alles zu sagen, was für das richtige Verständnis notwendig ist. Dennoch können wir nicht auf das „Stilmittel“ der Simplifizierung verzichten: Weder im Alltag, noch in der Wissenschaft.

Wo liegt das Problem?

Nach dem gängigen Sender-Empfänger-Modell, der unwiderlegbar zu sein scheint, wird die Botschaft von A zu B über ein Medium wie Sprache übertragen. Ist die Information nicht verstanden, wird über das Feedback ein notwendiger Informationsabgleich angestoßen. Alles sieht so einfach und eindeutig aus, dass man es fast nicht glauben kann. Denn es stellt sich die Frage: Was passiert, wenn B glaubt A verstanden zu haben und deshalb kein Feedback sendet?

Das ist die größte und real omnipräsente Gefahr, die eine Simplifizierung in sich birgt. Ein Signal wird anders gedeutet als es beim Setzen gemeint war. (Wie man diese Falle vermeidet, wird weiter unter behandelt.)

Die Vorteile

Die Simplifizierung hat einen großen Vorteil: Sie verkürzt die Zeit, die für die Signalübertragung benötigt wird (also Aufmerksamkeitsspanne des Empfängers). Damit ist es möglich, mehr Empfänger zu erreichen (oder mehr Signale zu senden). Das macht sich die Werbung zu nutze. Statt eine Bedienungsanleitung vorzulesen, zeigt man den potenziellen Kunden einen kleinen Ausschnitt der Produktinformation (meist mit emotionalen oder gar sexuellen Anspielungen überfrachtet – „Sex sells“). Es muss jedoch die Information sein, die den Kunden interessieren könnte.

„In der Kürze liegt die Würze“ – das ist das Eine. Die andere Seite der Medaille ist: „dem Volk aufs Maul schauen“ (M. Luther). Was kann der Empfänger meiner Botschaft überhaupt verstehen? Angefangen bei Sprache (Fremdwörter vs. sog. „leichte Sprache„) über Sachkenntnis (Fachmann vs. Laie) bis hin zum Einsatzzweck der Information (zur Lösung einer einzigen Aufgabe oder zur vollständigen Erfassung benötigt). Trifft man diese drei Spektren nicht, hat auch die Länge der Information kaum noch Bedeutung.

Exkurs: Postmans Kritik am Infotainment

Einer der größten Kritiker der Simplifizierung war Neil Postman. Das Wort findet man in seinen Werken nur beiläufig bis selten. Dennoch ist seine Kritik der Medien wie Fernsehen zum großen Teil eine Ablehnung der plumpen Vereinfachung. Das Fernsehen – vor allem die US-Nachrichtensendungen, die in Deutschland leider zunehmend als Vorbild genommen werden – muss in der kurzen Aufmerksamkeitsspanne des Zuschauers (der den Daumen schon am Drücker hält) möglichst viele Informationen bringen, die er wahrnimmt. Da werden komplexe Sachverhalte unter Zeitdruck inadäquat durch Allgemeinbegriffe ersetzt, auf den Laien gemünzt und (sofern es geht) in eine direkte Handlungsanweisung übersetzt. So erweckt man den Eindruck, viele relevante Informationen anzubieten. In Wahrheit sind es nutzlose Informationsbruchstücke, die „wichtig tun“ und die man wahrscheinlich auch nicht richtig verstanden hat. Postman appelliert deshalb an uns: Sucht die vollständige Information und das breite Wissen, statt euch von nur zum Teil wahren Informationen unterhalten zu lassen!

Man darf – ja man muss – simplifizieren. Jeder Wissenschaftler verfasst seine Erkenntnisse als „die Spitze des Eisbergs“. Das nötige Basiswissen wird nur per Zitat oder Fußnote zugeordnet. Es umfasst das X-fache der neu gewonnenen Erkenntnis. „Man kann nicht bei Adam und Eva anfangen“ – lautet die Devise. Das funktioniert deshalb so gut, weil man durch Verweise auf bereits vorhandenes Wissen (Stand der Forschung) verweist und somit die nötigen Anknüpgfungspunkte dem Leser an die Hand gibt – sollte ein Detail noch unbekannt sein.

Summa summarum

Daraus ergibt sich das Resümee: Man muss simplifizieren, vor allem dann, wenn man Aufmerksamkeit auf etwas lenken will. Je gezielter informiert wird (Empfänger der Botschaft sind gut bekannt), desto passender kann eine gekürzte Information sein. Will man dem Gegenüber die Chance geben, das Thema vollständig zu erfassen, sind weiterführende Informationsquellen zu nennen.

Nicht ohne Grund schwört der Zeuge in einem US-Gericht, die ganze Wahrheit zu sagen. Man muss nicht lügen, um die Wahrheit in ihr Gegenteil umzukehren.

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