Es ist nie zu früh, an Weihnachten zu denken. Sagte mir einmal ein Importeur. Die Aufträge für das Weihnachtsgeschäft würden im Falle von Produktion in China bereits vor Ostern vergeben. Qualitätsprüfung sei schon vor den Sommerferien zu erledigen, wenn man einen keinen Misserfolg erleben will.
Nicht viel anders sieht es mit Marketingmaßnahmen aus. Beim Aufbau von „Ranking“ in den Suchmaschinen dauert es auch einige Wochen, insbesondere bei Neugründungen (neue Domäne, neuer Shop etc). Aktionen auf Facebook & Co. sind schon alleine wegen der Masse an Beiträgen zu Eintagsfliegen geworden. Die explodierenden Zugriffszahlen der ersten zwei Tage werden ganz schnell wieder einstellig. Schuld ist der Spieltrieb, der die Treue verdrängt.
Eine der wirksamsten Methoden, beides miteinander zu verbinden ist … ein Adventskalender. Das Entdecken, die Vorfreude auf den nächsten Tag, die tägliche Routine – wer kennt das nicht aus seiner Kindheit. Zugleich ist da alles drin, was ein Händler sich wünscht.
Der Adventskalender war noch bis vor wenigen Jahren eine ziemlich deutsche Angelegenheit. Bei Polen, Franzosen oder Niederländern kaum bekannt. Doch das ändert sich. Adventskalender wird zunehmend zu einem internationalen Phänomen. Es gibt ihn in unterschiedlichen Formen: ganz klassisch mit Bild und nummerierten Türchen (z.B. Stiftung Warentest), als Produkt des Tages auf der eigenen Webseite/im Shop (z.B. Mediamarkt), als durchnummerierte Socken oder als täglich neuer Post zu einem wertvollen Artikel auf Facebook.
Die Inhalte können sein:
- Gutscheine allgemein oder für Warengruppen, prozentual oder fest (oder gestaffelt nach Einkaufswert)
- Gutscheine für den Versand
- Rabatte auf bestimmte Posten (ob als Gutscheine in der URL speziell für die Besucher des Adventskalenders oder vorhandene, allgemein zugängliche Rabatte)
- Zugaben (günstige Accessoires zu teuren Waren)
- Eigenwerbung-Geschenke (Stifte, Taschentücher, PostIt etc dem Firmenlogo)
Die Zugaben tun dem Lager bei schlecht gehender Ware was gutes. Die Eigenwerbung hilft dem Kunden, die Marke dauerhaft in Gedächtnis einzuprägen. Rabatte auf bestimmte Posten reizen nur wenige, können aber als Türöffner für größere Einkäufe wirken. (Hier ist die zeitliche Steuerung / Freischaltung und Sperrung der Rabatte eine Herausforderug für die Shop-Software.) Versandfreiheit kann bei kleinen Einkäufen zum Zuschussgeschäft werden – deshalb ist eine Mindestgrenze nötig. (Die Anzeige von allgemeinen Gutscheincodes für diesen Bonus hilf die zeitliche Steuerung zu umgehen.) Gutscheine auf Posten, Kategorien oder nach Einkaufswert bietet jede Shopsoftware an – meist nur als Gutscheincode, der nicht verlinkbar ist. Zudem können Gutscheine nach einem Einkauf (für den nächsten Einkauf) generiert werden. (Dazu sind nullwert-Gutscheine als Erkennungsmerkmal nötig.) Wer wie ein berühmter deutscher „Apotheker“ für Elektronik seine Kunden „zum Konsumieren disziplinieren“ will, wird die Laufzeit der Gutscheine zeitlich einschränken.
Wer die Kunden zu absoluter Treue erziehen will, baut in den Kalender ein Lösungswort, welches aus insgesamt 24 Zeichen bestehen muss. Unter den treuen Einsendern wird natürlich ein weiterer Preis verlost.
Ich persönlich liebe die Mischung aus klassischem Adventskalender. Ein schönes Bild, das Suchen und das Klicken, eine kurze Information zum Tageslos – alles zusammen ergibt die richtige Emotion und die Vorfreude auf den nächsten Tag.
Was mich bei einigen Adventskalendern ärgert und wovon ich abraten würde:
- Beschränkte Anzahl der Gutscheine
- Seltsame „Öffnungszeiten“ (z.B. 6-20 Uhr)
- Anmeldepflicht (oder Verbindung mit einem Newsletterabo)
- Datensammelwut (hier kann der Datenschutz mit der „Zweckbindung“ schnell zu einem Bumerang werden)
- Eine zu knappe zeitliche Bindung des Gutscheins
- Fehlende oder falsche Angaben zur Verfügbarkeit der rabattierten Posten
Die Zeit vom 1. bis 24. Dezember bedeutet für den Adventskalender, dass er schon mitten ins Weihnachtsgeschäft kommt. Teure Anschaffungen werden von vielen bereits nach der Auszahlung des Weihnachtsgeldes erledigt – aus Angst vor steigenden Preisen im Dezember.
Die Abwägung muss jeder für sich treffen, wie viel er in diese Art der Kundenbindung und -unterhaltung investieren will. Den Spieltrieb sollte man auf gar keinen Fall unterschätzen. Nicht ohne Grund setzen so viele Händler auf ihn: Er stellt das rationale Denken in den Schatten und kitzelt das Gehirn an der Stelle, wo sonst nur die Sucht ihr Unwesen treibt.
Wenn man menschliche Schwäche ausnutzen will, stellt sich sofort die Frage nach der Ethik. Unethisch wird es nur dann, wenn man mit Personen zu tun hat, die nicht bewusst auf das rationale Denken umschalten können und dem Spiel ausgeliefert sind – z.B. Kinder – oder wenn die Investition in das Spiel zum Gewinn in keiner gesunden Relation steht. Bei volljährigen Nutzern, die nur klicken sollen, dürfte ein Adventskalender kein Problem darstellen.
Ein passendes Angebot für Adventskalender von einer Webagentur kann ganz schön teuer sein. Das sollte einen nicht davon abhalten, dieses Werkzeug zur Kundenbindung einzusetzen. (Ein Grund für den hohen Preis kann sein, dass der Anspruch zu hoch ist und das Angebot die Softwareentwicklung für eine bestimmte Softwarelösung enthält.) Wenn Sie für Ihr Shop eine Lösung „von der Stange“ nehmen und 2-3 Stunden in die Vorbereitung zu investieren bereit sind, bekommen Sie recht günstig einen Adventskalender als wiederverwendbare Softwarelizenz (sogar mit Installation).