Die meisten Startups werden nicht gerade mit Geld überschüttet. Ist ja auch klar: Weder ein großer Kundenstamm, noch große Kredite für den Firmenaufbau sind am Anfang in Sicht. Manchmal sind nicht einmal Büroräume vorhanden. Das bedeutet auch, dass man eine onlinefähige Lösung braucht, um sich zu vernetzen. Der Blick geht in Richtung OpenSoure, die viele kleine Firmen ganz groß gemacht hat.
Zu recht! Was wäre unser WWW ohne Apache oder Linux? Ein armseliger Haufen schlecht lesbarer wissenschaftlicher Erkenntnisse. Ohne PHP kein Facebook. Ohne GNU-Werkzeuge, kein Android. Schließlich heißt „kleine Brötchen backen“ nicht „schlechte Brötchen backen“.
Startups und Kleinstunternehmen haben den großen Vorteil, dass sie flexibel sind. Sie brauchen keine systemische Beratung, weil sie die Schwachstellen im System schnell erkennen und durch Umverteilung der Ressourcen abdecken (oder das eigene Wachstum anstoßen). Unzähligen Problemen kann man mit organisatorischen Ansätzen begegnen. Anderen nur mit Fleiß. Ist die zu erledigende Arbeit banal (z.B. Copy&Paste), lohnt es sich auf eine technische Lösung zu setzen. Wieder anderen Problemen begegnet man, indem man sie gar nicht erst entstehen lässt. (Das nennt man strategisches Denken.) Die Mischung muss jeder für sich finden. Bei einer klaren Strategie auf Übersichtlichkeit, hoher Selbstorganisation und kleinem Budget für Technik ist der Owncloud-Ableger Nextcloud sicher eine gute Lösung. Ich betrachte die ausgewählte Komponenten der Version 9 und stelle die Stärken und die Schwächen des Ansatzes meist am Beispiel eines befreundeten Startups dar.
Dateien
Die zentrale „Datenhalde“, die man in Unternehmen als File-Server kennt, war der Ursprung von Owncloud und ist bis heute seine größte Stärke. Es bietet Freigaben von Dateien und Ordnern an Gruppen und Personen, auch an die von außerhalb der Firma an. Dabei können die Rechte einzeln festgelegt werden (Bearbeiten als erstellen, ändern und löschen; teilen – sprich geteiltes mit anderen teilen – ist eine eigene Berechtigung). Spannend ist die Funktion der Benachrichtigung per E-Mail. Sie kann als Weckruf an die Kollegen gelten und hilft ihnen den richtigen Pfad zu finden.
Mit anderen teilen
Die bereits erwähnte Funktion des Teilens mit externen Partnern (die z.B. ihre Bilde hochladen sollen) geschieht über die Weitergabe eine generierten Links, den man praktischerweise sofort an die im anderen Feld anzugebenden E-Mail-Adressen weiter sendet. Ist das Bearbeiten erlaubt (dazu zählt bei einem freigegeben Ordner auch der Upload), kann man (wie früher in FTP-Zeiten) verbieten, den Inhalt aufzulisten. (Extrem praktisch, wenn man allen Kunden eines Projektes denselben Ordner freigeben kann, ohne dass sie die Dateien der anderen sehen.) Um den Schutz vor dem unwahrscheinlichen aber nicht unmöglichen Zugriff Dritter zu schützen, bietet Nextcloud auch den Passwortschutz an. Mit einem Verfallsdatum eines Links verhindert man Freigaben mit ewigem Zugriff. (Die Admins kennen das Lied, von sporadischen Zugriffen durch Unbekannte – möglicherweise Partner oder auch jemand aus dem Hause… Was oder wer geht in die Luft, wenn man die Freigabe verschiebt?)
Teilen ist geben und nehmen. Gut, dass Nextcloud auch viele Möglichkeiten bietet, externe Datenquellen mit einzubinden: Windows-Freigaben, Dropbox, FTP, GoogleDrive, Webdav, SFTP, Amazons S3 oder eben ein anderes Owncloud/Nextcloud (sog. Föderation: Benutzername@my-nextcloud-domain.com ist der Schlüssel). (Funktionen werden durch die App External storage support bzw. Federation bereitgestellt.)
Der SharePoit für Arme
Das hört sich böse und abwertend an. So ist es aber nicht gemeint. Wer Microsofts SharePoint in Betrieb nehmen will, kauft nicht einfach nur ein Stück Software. Da gehören einige Stunden Konfiguration und Anpassungen dazu. Wer sich mit Metadaten etwas besser organisieren will (mit Ordner-Pfaden und Freigaben alleine kann es unübersichtlich werden), der nutzt die Möglichkeit der Annotation (Gruppen-weite Tags -> über die App Collaborative Tags), der Kommentare (über die App Comments) oder Favorisierung (Markierung mit Sternchen). Erste zwei sind suchbar, drittes ist eine eigene Kategorie. Eine Übersicht der Aktivitäten (über die App Activity) an der Datei hilft auch die Versionen (über die App Versions) im Blick zu behalten (wer ändert wann) und vielleicht eine ältere Version aus dem Hut zu zaubern.
Synchronisation
Die Installation kann man als ein WebDAV auf dem PC einrichten und nutzen (den Link findet man unter dem Zahnrad-Symbol der Einstellungen nach einem Klick). Ist das Netz weg, sind die Dateien nicht mehr erreichbar. Eine lokale Kopie händisch zu überwachen grenzt an „cognitive overload“. Deshalb wurde ein Programm entwickelt, mit dem die lokalen Dateien (z.B. nur einige ausgewählte Ordner) und die auf dem Server synchron gehalten werden. Es ist vergleichbar mit Dropbox und ist kostenlos zu haben – auch fürs Smartphone. Wer einmalig das Backup seiner Dateien machen will, setzt mit einem Häckchen den ganzen Inhalt eines Ordners aktiv und bezieht durch Klick auf das Pfeil-runter-Symbol (Herunterladen) eine Zip-Datei als Download. Gelöschte Dateien findet man im Papierkorb von Nextcloud (über die App Deleted Files) wieder. Einen Schutz vor konkurrierenden Zugriffen (mehr als eine Person ändert die Datei zur gleichen Zeit) gibt es nicht – nur Versionen.
Die Kategorien, die stets auf der linken Seite zu sehen sind, geben die passenden Dateien preis: Von mir geteilt (an andere), Mit mir geteilt (andere mit mir), über einen Link geteilt, Favoriten, Tags und Externe Speicher. Bei Bildern tritt der Spezialfall ein, dass sie durch die mit installierte (aber optional deaktivierbare) Komponente der Bildergalerie dargestellt werden und als Diaschau ablaufen können. Die Volltextindexierung von PDF, DOC, DOCX, ODT, HTML, TXT etc funktioniert wegen eines Bugs aktuell nicht. In der nächsten Version wird die Lupe über der Dateiliste wieder einen Sinn machen: Es wird die Suche in allen mir zugänglichen Dokumenten gestartet, nicht nur in den Metadaten. Das Hochladen funktioniert übrigens über Drang’nDrop aus dem Betriebssystem perfekt. Für Old-School-Uploader gibt es oben das Plus-Zeichen, mit dem man auch Ordner erstellt.
Zwischenfazit
Nextcloud bietet deutlich mehr als ein File-Server. Die Leichtigkeit eines Sozialen Netzwerks bietet es nicht und zwingt den Nutzer, Pfade zu beachten. Mit Freigaben, Suche, Tags, Kommentaren, Favoriten, Papierkorb und Versionen sind die wichtigsten Boardmittel vorhanden. Sie müssen nur noch genutzt werden.
Kalender
Ein Modul von Owncloud (früher ein Teil des Kerns, heute eine Erweiterung für Owncloud und Nexcloud) ist der Kalender. Kalender gibt es im Netz zu Hauf. Doch die wenigsten beherrschen die Synchronisierung und die Rechtevergabe. In Nextcloud ist es möglich, mehrere Kalender in einem Konto zu pflegen und jeden davon an andere Nutzer derselben Installation mit unterschiedlichen Rechten frei zu geben. Man kann die Kalender im Browser pflegen oder auf dem Smartphone (iOS, Windows Mobile, Android – letzter über eine kostenfreie App). Wiederholungen, mehrere Erinnerungen und Zeitzonen-Einstellungen für einen Termin bekommt man in der erweiterten Ansicht. Sie sind sehr simpel gestrickt aber meist ausreichend („jede 2. Woche“ bzw. „2 Stunden vor Termin als E-Mail“). Wer genauer steuern will, kann es in externen Kalendern tun und synchronisieren lassen.
Teilen
Wie bereits erwähnt, können Kalender beschreibbar oder nur zum lesen frei gegeben werden. Sowohl an Personen wie auch an Gruppen, die man in Nextcloud definiert hat. Wer seinen Kalender synchronisiert bekommt die Termine aus allen seinen und freigegebenen Kalendern mit. Unschön ist natürlich, dass alle, die eine Freigabe erhalten haben, auch an fremde Termine auf dem Smartphone erinnert werden. (Die berühmte Free-Busy-Freigabe beherrscht Nextcloud nicht.) Daher sind nur Gruppentermine im Sinne von Fristen sinnvoll. Termine, zu denen man in der erweiterten Ansicht per E-Mail auch interne und externe Teilnehmer einladen kann, sind immer persönliche Einladungen, die mit Annahme, Absage oder Gegenvorschlag beantwortet werden können. (Nur durch Annahme wird ein Termin in einer externen Büro-Kommunikations-Suite [KDEs kontact oder Outlook] in den eigenen Kalender eingetragen und bei Änderungen geupdated. Teilnahme durch die Eintragung in einen Gruppenkalender könnte auch juristisch fragwürdig erscheinen, da Urlaube oder private Termine durch eine solche Festlegung nicht automatisch storniert sind sowie ein Hinweis auf die Eintragung unterbleibt.) Benutzer, die Nur-Lesen-Freigaben erhalten, sehen diese im Abschnitt Abonnements – wie die automatisch aus dem Adressbuch generierten Geburtstage.
Synchronisieren
Synchronisation ist „das große Ding“. Es ist eine beachtliche Leistung, die Problemlos ablaufen zu lassen. Outlook kennt nur ein Synchronisationsprotokoll: Exchange. (Wen wundert’s?) Doch freie Software und offene Standards dominieren die Welt. CalDAV heißt das Zauberwort. Es ist eine Mischung aus XML, HTTP und iCalendar als Dateiformat. Software, die kein CalDav spricht, kann über Adapter angeschlossen werden: Outlook, Android oder Windows Mobile. Unschön ist nur das fehlen von Free-Busy-URLs. Damit ist die gängige Datenschutz-Methode „privater Termin“, bei dem man nur die Existenz eines Termins aber keine Details dazu frei gibt, nicht möglich. Es wird einfach alles an alle berechtigten Teilnehmer übertragen. Es ist ebenfalls möglich bloß ausgewählte Kalender zu synchronisieren. Den Link zu ihnen findet man im Menü der einzelnen Kalender (Drei-Punkte-Symbol neben dem Freigabe-Symbol). Die in Nextcloud vergebenen Farben haben keine Auswirkung auf externe Programme, nur innerhalb der Nextcloud sind die „Nur-Lesbar-Kalender“ nicht veränderbar. Die Einstellungen des Moduls bieten auch den Import aus einer Datei (iCalender), was auch den Wechsel von anderen Programmen nach Nextcloud erleichtert.
Adressen
Analog zum Kalender sind auch Adressen den gleichen Weg gegangen: aus dem Core in Apps und heißen in der deutschen Übersetzung „Kontakte„. Auch hier sind mehrere Adressbücher möglich. Die Erfassung ist auf wenige Felder begrenzt und kümmert sich nicht um den Namen der Ehefrau oder Position auf der Landkarte. Geburtstag (automatisch zum Kalender-Ereignis konvertiert), Benutzerkennung eines Nachrichtendienstes, Firmenname, Title, Webseite, Spitzname oder Notizen erweitern das Repertoire aus privaten und geschäftlichen postalischen- bzw. E-Mail-Adressen und Telefonnummern. Gruppen (Mehrfachzuordnung möglich) bringen Ordnung z.B. in die Kunden-Sammlung. Sie tauchen links auf und wirken sich auf die Liste in der mittleren Spalte aus.
Teilen
Das Teilen ist recht einfach gestrickt. Alle Adressen werden in einen großen Pool hineingeworfen. Die Gruppen bleiben dabei erhalten. Die Adressbücher, die man als Freigabe erhalten hat bekommen in den Einstellungen in runden Klammern den Besitzernamen dran gehängt. Will man den Datenaustausch stoppen und die Adressen behalten, kann man die Freigabe in den Einstellungen per Paprierkorb-Symbol löschen, nachdem man es über das Pfeil-Zeichen herunter geladen hat (VCard-Datei). Importieren geht ebenso einfach wie beim Kalender: Eine Datei im VCard-Format wird dazu über den „Import“ in den Einstellungen der App eingelesen.
Synchronisieren
Der im Kalender-Abschnitt bereits erwähnte DAVdroid fragt bei Nextcloud automatisch nach Adressbüchern und stellt die zur Auswahl. Hat man diese einmal getroffen, kann sie nicht mehr geändert werden. Das ist ein wenig enttäuschend. Doch das Schöne an der App ist, sie beherrscht CardDAV – die Entsprechung von CalDAV. Die Vermittler für diese Schnittstelle zu Outlook sind meist nur bei persönlicher Verwendung kostenlos aber es gibt sie günstig in ausreichender Zahl im Netz. Dieser offene Standard ist für Mac kein Problem.
Mehr coole Apps auf Lager?
Ja. Der Administrator darf unter Apps neue Apps installieren (Vorschläge aus dem Appstore, die als vertrauenswürdig eingestuft worden sind). Oder manuell herunterladen und in den Ordner ‚apps‘ der Installation entpacken und dann die Aktivierung unter Apps anstoßen.
Nextcloud bringt einen einfachen Editor für DOCX, TXT und ODT-Dateien mit. Es eignet sich zwar „nur“ zum Bearbeiten von Text und seiner Struktur (Überschriften, Aufzählungen etc.), erlaubt aber auch kommentare, so dass eine sukzessive Ausgestaltung des Inhalts vor dem „In-Form-Bringen“ problemlos klappen sollte. (Versionierung der Datei erlaubt auch das „Drehen an der Uhr“.
Heiß ist derzeit das „Online-Office“ auf Libre-Office-Basis. Es setzt sich zusammen aus der Nextcloud-App und einer Installation von Collabora, die man als Docker-Container auf demselben Server laufen lassen kann.
Mail bringt Nextcloud die Fähigkeiten eines E-Mail-Clients bei. (Mehrere Konten pro Benutzer möglich.)
Bookmarks erlaubt das persönliche sammeln bzw. Bereitstellen der Lesezeichen.
Gallery (vorinstalliert) und Gallery+ kümmern sich um Bilder und zeigen Sammlungen als Templates oder Slideshow an.
Music kümmert sich um die abgelegten mp3s und stellt einen ID3-basierte Browser sowie einen Online-Player bereit.
Shorten kürzt die langen URLs von Nextcloud ab.
Tasks ermöglicht eine Aufgabenverwaltung (auch kaskadierend mit Fälligkeitsangaben, die in den Kalender einmünden).
Ein Chat ist ebenfalls dabei, doch viel interessanter ist Spreed.ME, der aus der App und einem Programm auf demselben (oder anderen) Server besteht und Videokonferenzen mit Folienpräsentation (PDF) und Desktop-Freigabe ermöglicht. (Dies setzt einen entsprechen leistungsstarken Server und WebRTC-fähige Browser voraus.)
Wer dem von Geburt an misstrauisch ist, findet sicher Default encryption modul sehr interessant. ;-) Diese App verschlüsselt alle Dateien mit je eigenem Schlüssel und kann den Server zur Atemnot bringen. (Was bekanntlich bei zu vielen externen Speicherquellen passiert.)
Mit SAML (Shibboleth – des DFN-Admins Liebling) und LDAP sind weitere Authentifizierungsmethoden für den Benutzer-Login verfügbar. Bringen manchmal jedoch Arbeitsweise von anderen Apps etwas durcheinander.
Summa Summarum
Im Großen und Ganzen ist Nextcloud für den Start die erstklassige Möglichkeit für die Büro-Kommunikation und -Organisation. Einiges ist nur rudimentär implementiert. Dafür ist es kostenlos (oder mit Support für recht kleines Geld) nutzbar, nicht zu umständlich zu bedienen und durch seine offene Schnittstellen zu jedem Betriebssystem passend. Mit einigen Zugeständnissen wie den angepassten organisatorischen Abläufen (Organisation passt sich der Software an) ist das überregionale oder nebenberufliche Büro schnell eingerichtet. Alles, was man für den Anfang braucht.